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Branchenanalyse Leder- und Schuhindustrie

IMU-Studie als Working Paper der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht

Die Leder- und Schuhindustrie ist seit langem von einem grundlegenden Strukturwandel geprägt. In der Branchenstudie werden Entwicklungstrends im Kontext Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Globalisierung und Wandel der Arbeitswelt untersucht, die durch die Wirkungen der Corona-Pandemie eine neue Dynamik und Qualität gewinnen. Nach einem jahrzehntelangen Schrumpfungsprozess, gefolgt von einer relativ stabilen Phase im letzten Jahrzehnt, besteht aktuell die Gefahr einer zweiten Welle von krisenhaften Umwälzungen in der Branche. Aus den strukturellen Herausforderungen werden Handlungsfelder für die Mitbestimmungsakteure abgeleitet und erörtert.

Download der Branchenanalyse Leder- und Schuhindustrie als Working Paper der Hans-Böckler-Stiftung

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Zusammenfassung der "Branchenanalyse Leder- und Schuhindustrie – Entwicklungstrends und Herausforderungen":

Die „Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen“ ist mit gut 21.000 Beschäftigten in 128 Betrieben ein kleiner Industriezweig in Deutschland, der jedoch in regionalen Wirtschaftsräumen nach wie vor eine beschäftigungspolitische Relevanz aufweist. Zudem hat beispielsweise die Lederherstellung wichtige Funktionen in industriellen Wertschöpfungsketten der Automobil-, Möbel- und Modebranche inne. Durch den scharfen internationalen Wettbewerb und den hohen Importdruck sind die drei Branchen Lederherstellung, Schuhindustrie und Lederverarbeitung einem starken Strukturwandel ausgesetzt. Viele Unternehmen der Schuh- und Lederwarenindustrie verlagerten ihre Produktion ins Ausland oder stellten ihr Geschäftsmodell auf Handel um. Dies hatte zur Folge, dass die Zahl der Unternehmen und der Beschäftigten in Deutschland insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erheblich zurückging.

Dieser jahrzehntelange massive Schrumpfungsprozess prägte die Schuh- und Lederindustrie bis in die 2000er Jahre. Erst im letzten Jahrzehnt mündete die Branchenentwicklung wieder in ein ruhigeres Fahrwasser mit positiven wirtschaftlichen Kennziffern und einer stabileren Beschäftigungslage, die aktuell infolge der Coronakrise wieder gefährdet ist. Gleichwohl gab und gibt es weiterhin Veränderungen bei den Beschäftigungsstrukturen und den Arbeitsbedingungen. Alles in allem stehen Entwicklungstrends rund um Beschäftigung, Märkte, Digitalisierung und Nachhaltigkeit/Kreislaufwirtschaft im Fokus der Branchenanalyse.

Viele der verbliebenen Unternehmen der Leder- und Schuhindustrie haben sich auf qualitativ hochwertige Produkte spezialisiert und positionieren sich im Premiumsegment oder in speziellen Nischen. Nach dem gravierenden Strukturwandel infolge der Globalisierung gibt es heute neue, nicht weniger große Herausforderungen. Aktuell geht es für die Unternehmen darum, die Corona-Pandemie zu bewältigen. Neben den unmittelbaren Krisenfolgen auf die Unternehmenssubstanz stellt hier insbesondere für die Hersteller von Schuhen und Lederwaren die beschleunigte Digitalisierung mit stark wachsendem Onlinehandel eine immense Herausforderung dar.

Mittelfristig liegen die strategischen Herausforderungen und damit auch entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Leder- und Schuhindustrie in den Themen Fachkräfte und Nachhaltigkeit, aber auch weiterhin in der Digitalisierung insbesondere im Kontext der Vertriebskonzepte. Die Fachkräftesicherung und die Personalentwicklung in allen Bereichen sind überaus wichtige Zukunftsthemen für die drei Branchen, die auch stärker ins Zentrum betrieblicher Strategien rücken sollten. Nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Alterung der Belegschaften besteht hier akuter Handlungsbedarf. Weitere strategische Herausforderungen liegen im Dreiklang ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit, um die Branchen zukunftsfähig aufzustellen und auch um Imageproblemen bezogen auf das Produkt, auf Umweltthemen und auf die Sorgfaltspflicht in den Lieferketten zu begegnen. In den Unternehmen gilt es, die verschiedenen Bereiche wie Personalpolitik, Beschaffung, Produktentwicklung, Qualitätsmanagement, betrieblicher Umweltschutz etc. nachhaltig zu gestalten und insbesondere eine nachhaltige Wertschöpfungsstrategie – auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft sowie fairer und resilienter Lieferketten – zu implementieren.

Im Fazit der Branchenstudie werden insbesondere die aus Mitbestimmungssicht wichtigen Themen erörtert und daraus Handlungsfelder für Betriebsräte abgeleitet. Dazu gehören neben einer „nachhaltigen Wertschöpfungsstrategie“ im Verbund mit einer „Innovations- und Qualitätsstrategie“ vor allem Handlungsfelder rund um den „Erfolgsfaktor Mensch“, wie strategische Personalpolitik, Fachkräftesicherung, Aus- und Weiterbildung, Gestaltung guter Arbeitsbedingungen etc. In diesem Sinne würde auch eine stärkere Tarifbindung einen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Leder- und Schuhindustrie leisten. Beschäftigte mit Tarifbindung haben bessere Arbeitsbedingungen, geregelte Arbeitszeiten und höhere, faire Entgelte. Demnach steigern gute tarifliche Regelungen im Flächentarifvertrag die Attraktivität der Unternehmen für die Belegschaft und im Fachkräftewettbewerb.

Alles in allem sind der langfristige Erfolg und die Zukunftsfähigkeit der Leder- und Schuhindustrie stark abhängig von gut ausgebildeten und motivierten Belegschaften in den Betrieben. Entscheidend sind die Kompetenzen der Beschäftigten, die Qualifikation und Weiterbildung, die Qualität der Arbeit und die Arbeitsbedingungen, die Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine innovationsförderliche Unternehmenskultur. Die Bündelung dieser Themen in einer vorausschauenden, strategischen Personalpolitik ist ein entscheidendes betriebliches Gestaltungsfeld für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und damit auch der drei Branchen Lederherstellung, Lederverarbeitung und Schuhindustrie.